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Alkohol ist keine Lösung, sondern ein Destillat

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Alkohol ist keine Lösung, sondern ein Destillat Empty Alkohol ist keine Lösung, sondern ein Destillat

Beitrag von Damian Ceccarelli-Rushton Sa Jan 28, 2017 11:48 pm

Ein unangenehmes Erwachen, so hätte es Hannah beschrieben. Sie schlug ihre grünen Augen auf, die zunächst von einem Schleier des Schlafes überzogen waren. Erst ganz langsam konnte sie ihre Umgebung in Augenschein nehmen, den schmerzenden Kopf noch immer schräg, auf einer weichen Unterlage liegend. So schnell wollte sie ihn auch nicht von dort weg bewegen, denn schon allein der Gedanke daran, bereitete ihr zusätzliche Schmerzen. Als sie aber langsam das Nachtkästchen erkannte, das neben ihr stand, mit dem Inhalt darauf, einer Lampe, mit dunklem, verziertem Metall und einer grünen Haube, wurde die Verwirrung groß in ihrem Kopf. Damit begann sie, noch immer regungslos, darüber nachzudenken, wie sie hierhergekommen war und was sie letzte Nacht erlebt hatte. Alles was sie wusste war, dass Miguell sie bereitwillig durch das Nachtleben Londons begleitet hatte, sie zunächst in einem Pub begonnen hatte und da es dort für ihren Geschmack zu langweilig gewesen war, sie in ein anderes Lokal gewechselt hatten und dort einige Drinks zu sich genommen hatten. Danach war alles nur sehr unklar und als ihr Tobias in den Sinn kam, schüttelte sie nur kurz den Kopf, das ihr genau diese Schmerzen bereitete, die sie eigentlich vermeiden wollte. Tobias wurde nichtsdestotrotz immer klarer in ihrem Kopf und irgendein Jungspund, den sie nicht zuordnen konnte. Doch die bessere Frage war doch, wie sie an diesen Ort gekommen war. Hannah rang sich doch dazu durch, den Kopf zu erheben, ganz langsam nur und dazu bewegte sie auch den Oberkörper, die Decke fest an sich gepresst, bis sie in einer sitzenden Position verweilte. Mit einem Blick durch das, von der Sonne, hell erleuchtete Zimmer, gab es keinen Zweifel, das war das Schlafzimmer, dass sie bis vor ein paar Wochen noch mit ihrem Ehemann geteilt hatte und in das sie nicht vorgehabt hatte, wieder zurück zu kehren. Ihr fiel einfach nicht ein, wie sie in dieses Bett gekommen war, noch immer nicht. Der Helligkeit nach zu urteilen und den Schmerzen, die in ihrem Kopf dadurch verursacht wurden, war es schon nach Mittag, zumindest riet Hannah einfach einmal, da sie auch die letzten Tage, an denen sie zuvor weg gewesen war, auch immer um diese Uhrzeit aufgewacht war, jedoch immer in ihrem eigenen Bett, das sie ganz für sich alleine hatte, mit dem Wissen, wie sie dorthin gekommen war. Hannah rieb sich über das Gesicht und dabei rutschte die Decke ein Stück nach unten, die sie zuvor noch mit beiden Händen festgehalten hatte, wie ein Anker, um sich wieder erinnern zu können. Dabei kam ein weißer Stoff zum Vorschein und sie erinnerte sich noch genau daran, dass dies nicht zu den Sachen gehörte, sie beim Fortgehen noch getragen hatte. Aber gut, es war schon erleichternd, dass sie überhaupt etwas trug. Dieses Szenario kannte sie nur aus Geschichten. Wer hätte gedacht, dass sie einmal selbst betroffen sein würde. Hatte ihr jemand K.o. Tropfen in den Drink geschüttet, wäre sie niemals in ihrem Ehebett wieder erwacht, denn für so perfide hielt sie Jonathan nicht. Wobei…warum sollte sie denn sonst hier sein?
,,Nein…‘‘ murmelte Hannah leise, mit einer kratzigen Stimme. Das traute sie ihrem Mann wirklich nicht zu, also musste es eine andere Erklärung für diesen Umstand geben und sobald ihr Kopf wieder mitmachte, würde sie auch an diese Erinnerung zu greifen können. Ein Blick aus dem Fenster zwang sie dazu, die Augen fest zusammen pressen. Dieses Licht machte sie fertig. Ächzend schlug sie die Decke nach hinten und stellte Bein für Bein auf den Boden und lehnte für einen Moment den Oberkörper nach vorne, sich die Haare raufend. Ihr ging es wirklich nicht gut. Ein allgemeiner Zustand für sie in letzter Zeit. Da fiel ihr auch eine weitere Szene ein und mit Schrecken musste sie feststellen, dass ihr ältester Sohn doch involviert gewesen war.
,,So geht das nicht weiter.‘‘ hallte seine Stimme durch ihren Kopf, ganz weit hinten. Erneut schüttelte kaum merkbar den Kopf. Das war eine äußerst unangenehme Lage, wenn sie sich die weiteren Szenen so durch den Kopf gehen ließ. Wie sollte sie ihm denn je wieder unter die Augen treten. Eltern kümmerten sich um ihre Kinder, wenn sie ihre Grenzen überschritten hatten, nicht umgekehrt. Irgendetwas musste sie sich als Entschädigung einfallen lassen und hoffentlich würde sich Tobias nicht zu lange daran erinnern. In einem Jahr, spätestens sollte wieder Gras darüber gewachsen sein.
,,Hoffentlich.‘‘ stieß sie flüsternd aus und stützte nun ihr Kinn auf den Handflächen ab. Ansonsten führte Hannah eigentlich keine Selbstgespräche, das war wirklich nicht ihre Art, außer sie musste Puzzlestücke zusammen setzen, die sich in ihrem Hirn befanden und sonst keine andere Person anwesend war, die ihr dabei behilflich sein konnten. Dabei sollte ihr auch keiner helfen in diesem Fall, keiner den sie kannte! Abgesehen von ihrem Bruder Miguell, denn er und sie hielten zusammen. Plauderte er etwas über ihre Strapazen aus, hatte sie auch einiges, was ihn belangen konnte. Dann war da noch Mick. Er wusste ebenso viel zu viel und würde auch nicht davor zurück schrecken, alles auszuplaudern, egal vor welcher Person. Zum Schweigen würde Hannah ihn nicht bringen können. Mit keinen Mitteln, die in diesem Falle vertretbar wären. Andererseits: Wem sollte er denn noch davon erzählen. Die Menschen, die nichts von diesen Ausfällen wissen sollten, wussten ja bereits alles. Jonathan hatte bestimmt davon mitbekommen, denn warum war sie sonst in diesem Bett gelandet.
,,Wo ist mein Zauberstab?‘‘ fragte sich Hannah die Frage Nummer eins. Er lag nicht auf dem Nachtkästchen, auch nicht unter der Bettdecke, unter der sie nachsah und auch nicht unter dem Polster. Mit einem Ächzen bewegte sie sich vom Bett hoch. Davor lagen ihre Klamotten des Vorabends, unordentlich auf einem Haufen. Hannah bückte sich, als wäre sie bereits eine alte Dame und wühlte darin. Nichts. Nachdenklich starrte sie einen Punkt an, doch wollte ihr einfach kein brauchbares Detail einfallen. Ohne den Stab war sie doch vollkommen aufgeschmissen. Sie hatte zwar eine Begabung mit zauberstabloser Magie, doch dennoch kam sie nicht von diesem Ort weg, was ihr ein sehr großes Anliegen war. Es war ja schon erfreulich, dass sich ihr Ehemann noch nicht blicken hat lassen, denn sie wollte ihn gewiss nicht sehen. Das wäre ihr einfach zuwider. Da sie nicht wusste, welcher Tag heute war, konnte sie nicht einmal sagen, ob er nicht ohnehin bei der Arbeit war und sich mit der Sekretärin vergnügte. Schnell wies sie diesen Gedanken von sich und suchte sich stattdessen etwas zum Anziehen. Sich an das Kinn klopfend stand Hannah vor der großen Auswahl. Draußen war es heiß, soviel stand schon einmal fest und sie war nicht in der Laune einen Rock oder sonstiges, beinfreies zu tragen. Aus dem Alter, kurze Hosen zu tragen, war sie schon seit mindestens zwei Jahrzehnten draußen, da blieb ihr nur noch eine Dreiviertelhose, die sie ebenfalls nicht bevorzugen würde. Letzten Endes zog sie dennoch diese aus dem Regal hervor. Eine locker sitzende Hose aus dünnem, luftigem Jeansstoff. Definitiv etwas, das sie nicht in der Öffentlichkeit tragen würde. Dazu ein schwarzes, ärmelloses Shirt und als Kopfbedeckung einen Strohhut, passend dazu eine Pilotenbrille, denn die Sonne war ein Graus für den Zustand ihres Kopfes. Klamotten von denen sich nicht einmal mehr gewusst hatte, dass sie diese noch besaß. Sie mussten auch schon ein gewisses Alter aufweisen. Normalerweise gab sie die älteren Stücke an eine Organisation, die sie an Bedürftige weiter gab. Hannah erinnerte sich, dass sie diesen Stil gerne einmal im eigenen Garten getragen hatte, dann, wenn sonst kein Außenstehender zugegen war. Passend für ihre momentane Laune. Es kratzte nicht, war nicht zu eng und auch nicht zu heiß. Sie glaubte die Türe vernommen zu haben und starrte wie ein verschrecktes Reh in das Schlafzimmer, fand aber nur das leere Bett vor. Ein erneutes Geräusch teilte ihr mit, dass die Türe tatsächlich aufgemacht worden war und nun wieder im Schloss verweilte, also blieb sie in ihrer momentanen Pose, gerade die Hose drüber ziehend, auf einem Bein stehend. Es rührte sich auch nach zwei Minuten nichts, also vollendete sie diese Prozedur des Anziehens und lugte vorsichtig in das Zimmer. Immer weiter streckte sie ihren Kopf nach vorne, worauf der Strohhut saß. Das Zimmer war definitiv leer. Trotzdem war sich Hannah sicher, dass dieses Geräusch keine Einbildung war. Ganz verrückt war sie doch noch nicht geworden. Noch einmal warf sie einen Blick durch das ganze Zimmer und wurde noch immer nicht fündig. Jonathan würde ihr doch nicht den Zauberstab abgenommen haben! Wenn doch, könnte er etwas erleben. Sie riss die Türe auf und bereute dies auch schon im gleichen Moment. In die Stille lauschend, verharrte sie im Türstock. Nur das Klappern von Geschirr vernahm sie. Das mussten die Hauselfen sein. Womöglich hatte sich Boldy in das Zimmer gewagt vorhin und es war gar nicht Jonathan gewesen. Dennoch raste ihr Herz. Genauer überlegt, hatte sie nicht einmal ihre Handtasche bei sich. An einen Raub konnte sie sich nicht erinnern. An eine Autofahrt jedoch. Da hatte sie ihre Sachen noch gehabt.
,,Hmpf.‘‘ stieß sie aus und bewegte sich langsam weiter. Ihr Ziel? Ja das würde sie noch spontan entscheiden. Weit kam sie ja nicht ohne Zauberstab und ihr Kopf würde eine Disapparation auch nicht zulassen und ihr Kamin daheim war gesperrt, auf diese Verbindung hin. Das hatte sie absichtlich gemacht, um Jonathan so gut wie möglich aus ihrem Leben sperren zu können. Jetzt leider, schadete es eher ihr und ihrem heim kommen. Verflucht! Auf Fußspitzen tappend, als wäre sie eine Einbrecherin, gelangte Hannah zur Treppe. Oh sie wusste wie verräterisch diese gemeinen Stufen waren. Jede von ihnen knarzte, sobald sich ein Gewicht auf ihnen verlagerte. Keine von ihnen machte dabei eine Ausnahme. Hannah war geliefert, wenn sie die Stufen hinab schritt und trotzdem hoffte sie ja noch immer, dass der Herr des Hauses nicht zugegen war. Tief ein- und ausatmend also, wagte sie den ersten Schritt. Knarz! Wieder hielt sie inne. Es wurde noch immer mit Geschirr geklimpert. Veranstaltete da jemand ein Kochutensilien-Konzert? Nächste Stufe und wieder ertönte dieses miese Geräusch und Hannah presste fest die Augen zusammen und hoffte nur. Also gut, es ging weiter. Sie verzichtete nun darauf, nach jeder Stufe sicher zu stellen, dass sie nicht erhört wurde und kam zügig voran. So viele Stufen besaß diese Treppe ja nicht.
,,Hannah?‘‘ An der letzten Stufe war sie angekommen, da kam die tiefe Stimme ihres Mannes, mit einem leicht, besorgtem Nebenklang.
,,Verdammt!‘‘ fluchte sie flüsternd und verzog das Gesicht. Sie wollte ihm partout nicht begegnen. Er war einfach der letzte Mensch momentan, dessen Visage sie sehen wollte. Wobei es eine schöne Visage war, zu schön, doch vertrug sie diese einfach gerade schlecht. Dieser Hundeblick, der sie wahrscheinlich erwarten würde, mit den nach unten gezogenen Augenbrauen und um ihre Verzeihung bittend. Das konnte er schlichtweg vergessen. Sie konnte ihm diesen Betrug nicht verzeihen. Es kränkte ihren eigenen Stolz, dass ihr Mann sie mit einem Flittchen betrogen hatte, das 14 Jahre jünger war als sie selbst und das Hannah schon davor nicht leiden hatte können. Eine unsympathische, Möchtegern Braut, die keinerlei Scham kannte. Die Wut stieg erneut in Hannah auf und ohne auch nur auf ihre Umgebung achtend, marschierte sie schnurstracks zur Haustüre, öffnete sie mit einem Handwink und warf sie hinter sich zu. Die Hauseinfahrt war sie Wochen zuvor hinunter gelaufen, mit einem Koffer in der Hand haltend. Nun hatte sich nichts dabei, einfach gar nichts und Jonathan würde sie nicht nach ihren Sachen fragen. Da war wieder ihr verletzter Stolz, der ihr in die Quere kam. Erst an der Straße blieb sie unschlüssig stehen und blickte von links nach rechts. Den fahrenden Ritter konnte sie nicht rufen. Nicht ohne Zauberstab. Zum Verzweifeln war das. Eine Möglichkeit blieb ihr aber noch. Das kleine Häuschen von Miguell. Mick sollte bei der Arbeit sein und Miguell theoretisch gesehen auch. Sie müsste warten bis ihr Bruder heim kam, um etwas tun zu können. Blöd wäre es nur, wenn es Mick war, der als erstes daheim aufkreuzte. Er war bestimmt nicht gut auf die Schwester seines Mannes zu sprechen. Nicht so, wie er sich derzeitig verhielt, sobald Hannah bei Miguell anfragte. Zu Micks Leid sprang Miguell immer sofort auf, wenn Hannah etwas vorschlug. Sie hatte wirklich eine ausgezeichnete Überredungskunst. Schon als sie Kinder waren, hatte er einfach bei jedem Blödsinn mitgemacht, der Hannah eingefallen war. Und oh, das war so einiger Blödsinn gewesen. Streiche über Streiche und oftmals musste auch der kleine Bruder den Kopf hinhalten dafür. Das waren nicht die stolzesten Momente aus Hannahs Jugend. Auch nachdem ihr Bruder 12 Jahre lang verschwunden gewesen war, hatte sich danach alles so ziemlich wieder zum Alten gewandt. Sie konnte immer auf ihren Fratellino zählen und er auch auf Hannah, wenn er einmal in Not war. Er hielt für sie den Kopf hin und sie für ihn.
Der Weg zum Haus ihres Bruders war ein weiter und unangenehmer. Die Hitze brannte den Asphalt auf und die Leute, die an ihren Zäunen standen, blickten sie komisch an. Sie hätte wohl in den Spiegel sehen sollen, vor ihrer Flucht, denn dann wäre ihr aufgefallen, dass sie den Waschbärlook nach wie vor nicht abgelegt hatte. Man grüßte ihr zwar freundlich und winkte, doch Hannah antwortete lediglich mit einem zerknirschten Lächeln, das eher aussah, als hätte es ihr ein miserabler Maler gemacht, der dringend mehr Zeit in der Außenwelt verbringen sollte, anstatt mit Puppen. Ein Glück dass sie ihre hochhackigen Schuhe gegen ein Paar sommerliche Sneakers getauscht hatte, wobei sie ja die Schuhe des Vorabends nicht mehr vorgefunden hatte und die sie auch gar nicht tangiert hatten bisher. Ihr fiel nur gerade spontan ein, dass sie damit auf der Couch eingeschlafen war, doch an mehr konnte sie sich nicht erinnern. Es war nur ein sehr kurzes Erinnerungsstück dieses Abends. Hannah war aber guter Hoffnungen, dass bald alle Puzzlestücke zusammen gefügt sein würden. Hauptsache sie würde ihren wichtigsten Gegenstand wieder finden, der sehr lebensbestimmend war für sie, als Hexe. Abgesehen von ihrer Handtasche, worin sich Geld und Ausweise befanden.
Angekommen am Häuschen des Bruders, ruhte sie sich erst einmal an dessen Zaun aus, sich am Eingangspflock abstützend. Ihr einziger Gedanke galt nur noch einem eiskalten Glas voll mit klarem Wasser. Das wäre ihre Rettung für ihren trockenen Hals und ihre Ausgelaugtheit. Wasser war ein Heilmittel in der Not an einem Tag, nachdem Alkoholkonsum…und wenn die Hitze das Gefühl verlieh, sie zu erdrücken. Nur noch wenige Meter musste sie schaffen. Einen winzigen Weg den sie an diesem Tag schon gesehen hatte, wie ihr auch jetzt wieder einfiel. Vor der Eingangstüre klopfte Hannah erst einmal, um wirklich sicher sein zu können, dass keiner von beiden daheim war. Es rührte sich nichts, also griff sie in den roten Topf der Pflanze, der rechts, neben ihrem Kopf schwang. Endlich ertastete sie etwas Kühles, Glattes und zog einen Schlüssel hervor und steckte ihn in das Schloss. Mit zweimal drehen schwang die Tür auf und eine angenehme, viel kühlere Luft wehte ihr entgegen. Schatten, das war etwas Schönes. Bevor sie den Rest des Hauses betrat, steifte sie noch ihre Schuhe ab. Mick mochte es nicht so gerne, wenn Gäste die Schuhe anbehielten. Dafür hatten sie Schlapfen im Eingangsbereich. Hannah eignete sich ein rotes Paar an und betrat die Küche. Schnell besorgte sie sich ein Glas und bediente sich bei der Wasserleitung. Ohne Magie benötigte es um einige Handgriffe mehr. Trotzdem rann diese wundervolle Flüssigkeit endlich ihren Hals runter und Hannah nahm gönnte sich gleich noch ein Glas, da öffnete sich plötzlich die Türe und Hannah wandte sich schnell um.
,,Schwesterherz?‘‘ Ein kalkweißes Gesicht blickte ihr entgegnen. Miguell sah wirklich nicht gut aus. Sein lockiges Haar stand in alle Richtungen und sein Hemd war völlig durchgeschwitzt.
,,Ich dachte schon, ein Einbrecher säuft unsere Wasserleitung leer.‘‘ Hannah füllte noch ein Glas und hielt es ihrem Bruder hin, als er zu ihr gestoßen war.
,,Ich wusste nicht, wo ich hin sollte.‘‘ erklärte sie entschuldigend, mit einem zerknirschten Gesichtsausdruck.
,,Schon okay.‘‘ nickte er und stellte das leere Glas auf den Küchentisch. Dann blickte er seine Schwester schief an und wischte ihr mit der rechte Hand über die Wange.
,,Du solltest deinen Waschbär-Look los werden.‘‘ brachte er ein Grinsen auf. Hannah griff wieder nach dem Glas und genehmigte sich ein weiteres, nur um es erneut, gefüllt, dem Bruder hinzuhalten.
,,Wann wird Mick wieder zurück sein?‘‘ wollte sie wissen und stützte sich mit der linken Hand am Tisch ab.
,,In vier Stunden denke ich.‘‘ antwortete er. ,,Hast du etwas Angst vor seiner Stimmung?‘‘ Miguell grinste, verzog danach aber wieder das Gesicht. ,,Ich habe sie nämlich.‘‘
,,Ich glaube er wird uns den Umgang miteinander verbieten.‘‘ Hannah lachte und blickte auf ihre nackten Füße, deren Nägel mit schwarzem Lack bemalen waren.
,,Ach der beruhigt sich schon wieder.‘‘ versicherte er ihr und stellte das Glas nun endgültig weg.
,,Ich finde, wir sollten es jetzt langsamer angehen lassen.‘‘ beschloss Hannah und blickte ihrem Bruder in die Augen.
,,Das sagt dir dein…Panda-Instinkt?‘‘ witzelte er und sie boxte ihm in den Arm.
,,Du bist blöd.‘‘ grummelte sie und lächelte dabei aber. Mehrmals wischte sie sich über die Augen und versuchte es dann stattdessen mit lauwarmem Wasser aus der Leitung. Miguell reichte ihr ein Geschirrtuch, das sie dankend annahm.
,,Sieht gleich viel besser aus, jetzt bist du nur noch eine Rauchfangkehrerin.‘‘ nickte er ihr anerkennend zu. ,,Soll ich Ihnen den Kamin zeigen, Mam?‘‘
,,Nein aber ernsthaft…‘‘ setzte Hannah wieder an.
,,Ich bin immer ernst…‘‘ unterbrach er sie.
,,Natürlich…‘‘ überdrehte sie die Augen. ,,Ich habe erkannt, dass es wieder Zeit wird, verantwortlich zu handeln.‘‘
,,Ist dir etwa ein Geist über den Weg gelaufen?‘‘
,,Miguell!‘‘ schnauzte Hannah ihn an und stöhnte genervt aus. ,,Nein kein Geist, nur mein Sohn und die Tatsache dass ich weder weiß wo mein Zauberstab ist, noch wo meine Handtasche abgeblieben sind…weshalb ich ja eigentlich hier bin.‘‘
,,Ach das ist doch normal. Das zeugt von einer geilen Nacht.‘‘ sprach Miguell und versuchte den Jugendslang zu verwenden, der ihm nur einen weiteren Augenüberdreher entgegenbrachte.
,,Das und dein verschwitztes Blumenhemd?‘‘ zeigte sie mit dem Finger darauf.
,,Jap…ganz genau…‘‘ grinste Miguell erneut und musste sich räuspern da ihm kurz die Stimme entglitten war.
,,Schön…schön…‘‘ murmelte Hannah. ,,Wir sind keine zwanzig mehr, schon lange nicht mehr.‘‘
,,Du noch länger nicht mehr als ich, Schwesterherz.‘‘ zog er sie auf.
,,Danke für die Erinnerung.‘‘ murmelte sie nach wie vor. ,,Also ich meine, die letzten Tage, Wochen, waren wirklich abwechslungsreich…‘‘
,,Aber jetzt ist es Zeit, los zu lassen und das Leben wieder in den Griff zu bekommen…‘‘ setzte Miguell ihren Satz fort. ,,Das hat mir Mick auch schon erläutert, als er eigentlich gedacht hatte, ich würde ihm mal wieder nicht zuhören.‘‘
,,Er hat auch vollkommen recht, der liebe Mick.‘‘ nickte Hannah. ,,Du kannst wirklich froh sein, ihn an deiner Seite zu wissen.‘‘
,,Ja was würde ich nur ohne meinen Liebsten machen.‘‘ sinnierte Miguell. Hannah hatte ja ein Szenario vor Augen, das sie ihm lieber nicht erläuterte. Sie wusste nur so viel, dass Miguell nicht zurück gekehrt wäre ohne Mick, zumindest nicht vor 7 Jahren schon. Das war allein Mick zu verdanken. Hannah mochte den Mann ihres Bruders, nicht nur deshalb. Nein er war vielleicht ein kleines Trampeltier, aber dafür so gütig und herzlich, wie es nur zu wünschen war, für ihren kleinen Bruder. Er wäre an keiner anderen Seite so geborgen, wie an Micks. Beide waren ein Paradebeispiel für eine Ehe, nun, sie waren es zumindest und Hannah schämte sich doch etwas, dass sie diese, mit ihrer derzeitigen Art und ihren Ideen, gefährden könnte.
,,Wie ein streunender Hund durch die Straßen einer südamerikanischen Stadt laufen.‘‘ zog sie ihn dennoch auf.
,,Ja…möglich…‘‘ grinste Miguell und fuhr sich durch das lockige Haar. Vor einem Monat noch, hatte sich Hannah vor einer, oder mehreren Flaschen Wein die Augen ausgeheult und versucht jeglichen Paaren aus dem Weg zu gehen, wie Mick und Miguell. Danach hatte sie sich aufgerafft und versucht verlorene Zeit nachzuholen und dabei versehentlich den Frieden dieses Paares gestört und jetzt war es an der Zeit, das eigene Leben wieder in Angriff zu nehmen. Mittlerweile ertrug sie glückliche Pärchen auch wieder…so einigermaßen. Jetzt konnte sie immerhin besser nachvollziehen, wie es ihrem Bruder damals ergangen sein musste, als sie Jonathan frisch kennen gelernt hatte, jedoch nicht ganz, denn Mick und Miguell waren auch kein frisch verliebtes Paar.
,,Also weißt du bereits, wo du deine Wertsachen findest?‘‘ fragte Miguell nach, als er den nachdenklichen Blick seiner Schwester bemerkte und fast befürchtete, sie würde wieder in die Trennungs-Melancholie verfallen.
,,Nein…‘‘ sagte sie und überlegte erneut. Es war nicht einfach, einen schmerzenden Kopf anzustrengen.
,,Du könntest doch einfach Tobi fragen?‘‘ schlug er vor.
,,Ich glaube nicht, dass ich ihm so schnell wieder unter die Augen treten kann.‘‘ stellte Hannah fest und zog einen Mundwinkel nach unten, um diese peinliche Berührtheit zu unterstreichen.
,,Naja da musst du wohl durch.‘‘ amüsierte sich Miguell. ,,Er wird das schon verkraftet haben…oder zumindest in ein paar Jahren.‘‘ Er klopfte seiner Schwester zweimal auf die rechte Schulter und setzte sich schwungvoll auf den Tisch.
,,Beruhigend.‘‘ seufzte Hannah und lehnte sich an die Kante des Tisches. ,,Kannst du nicht blöd nachfragen bei ihm?‘‘ Sie blickte hoch zu Miguell und setzte ihren lieblichen Blick auf.
,,Er muss ja auch das Trauma mit mir verarbeiten erst. Wir sitzen da im selben Boot.‘‘ wich Miguell schnell aus. ,,Reicht ja, dass mich mein Mann so gesehen hat.‘‘
,,Nicht nur deiner.‘‘ grummelte Hannah und blickte finster drein.
,,Ooh…‘‘ Ihr Bruder versuchte sein prusten zu unterdrücken. ,,Wie hat er denn reagiert?‘‘
,,Was weiß ich denn?!‘‘ fauchte sie und Miguell presste die Lippen fest zusammen.
,,Filmriss…hm?‘‘ neckte er sie.
,,Ich weiß nur, dass du geschlafen hast und mir deshalb auch nicht weiter helfen kannst.‘‘ Hannah überdrehte die Augen.
,,Ich habe es eben richtig gemacht.‘‘ sagte ihr Bruder und setzte ein gespielt stolzes Gesicht auf. Mittlerweile war Hannah wieder eingefallen, dass es ihr eigener Sohn gewesen war, der sie bei Jonathan abgesetzt hatte. Kinder wollten wohl wirklich nie, dass sich ihre Eltern trennten. Da war sie selbst eine Ausnahme. Ihr war es nun wirklich egal, wenn Lucinda und Frederick getrennte Wege gingen.
,,Du weißt gar nicht, wie sehr ich mir jetzt ein Telefon wünschen würde.‘‘ verkündete Hannah. Sie fand diese Muggel-Technologie immer schon bemerkenswert und oft war sie sogar praktischer als die Magie selbst. ,,Ich kann meinem Sohn ja keine Patronus Nachricht senden und…oh warte…ich hab ja keinen ZAUBERSTAB!‘‘ Sie warf die Hände über den Kopf und seufzte erneut aus.
,,Mick hat ein Handy.‘‘ schlug er vor.
,,Tobi aber nicht.‘‘ erinnerte ihn Hannah.
,,Achja stimmt…das ist…blöd.‘‘ stimmte Miguell zu. ,,Und was ist mit meiner Eule?‘‘
,,Ist sie denn hier?‘‘ fragte Hannah schon mit freudigerer Stimme.
,,Ich hätte sie zumindest nicht los geschickt.‘‘ sagte er beiläufig.
,,Sag das doch gleich!‘‘ rief Hannah aus.
,,Du hast nicht gefragt…‘‘ meinte er und glaubte sich daran zu erinnern, dass Hannah ihrem Sohn ja eigentlich ausweichen wollte. Miguell dachte sogar einmal mit und verschwand kurz aus dem Raum. Zurück kam er mit Papier und Stift und hielt es seiner Schwester hin.
,,Danke. Was soll ich schreiben?‘‘ grübelte sie und nahm es an.
,,Du bist hier die Person des öffentlichen Dienstes.‘‘ Miguell machte eine ausladende Bewegung.
,,Und du der Buchhändler.‘‘ murmelte sie, während die Feder bereits am Papier kratzte und Miguell eine Ansammlung an schnörkeligen Buchstaben erkennen konnte.

Lieber Tobi,

ich entschuldige mich vielmals für das gestrige Erlebnis und hoffe du weißt, dass dies nicht mehr vorkommen wird.

Ich wünsche, dich nach langer Zeit, wieder zu Gesicht zu bekommen(abgesehen von diesem Malheur).

In Liebe,
Mum

PS: Hast du sowohl meinen Zauberstab, als auch meine Handtasche gesehen?


Ihr Bruder las Wort für Wort mit und schmunzelte. Er konnte sich gar nicht vorstellen, wie unangenehm diese Situation sowohl für Hannah, als auch für Tobias sein musste. Ihm persönlich war es nicht so nennenswert, dass ihn sein Neffe in einer Bar aufgelesen und heim gebracht hatte. Mick wollte so womöglich seinen Unmut ausdrücken, wobei er auch niemand anderen fragen hätte können, um sie heil nach Hause zu bekommen, denn Jonathan hätte er ganz bestimmt nicht gefragt. So böse könnte er auf seine Schwägerin auch gar nie sein.
,,Der Junge wird noch in Therapie gehen müssen.‘‘ scherzte Miguell.
,,Nicht lustig.‘‘ beschwerte sich Hannah und faltete das Papier zusammen, um es dann Miguell hinzuhalten, der es ihr aus der Hand zupfte.
Damian Ceccarelli-Rushton
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Damian Quentin Rushton

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